Es gibt Tage, die man nie vergisst. Für Malam ist es der Sonntag, 10. September 2023. Ein ist ein Feiertag für ihn und wird wohl immer ein Gedenktag bleiben. Denn an diesem Tag hat der junge Mann den Gesellenbrief übereicht bekommen. Für Malam bedeutet dieser Brief mehr als man sich vorstellen kann. Denn damit verbindet sich eine schier unglaubliche Geschichte, die 2016 ihren Lauf nahm. Damals kam er als 17-jähriger von Guinea-Bissau nach Deutschland. Ohne Sprachekenntnisse, ohne Geld, als Waise.
Hinter sich gelassen hat Malam eines der ärmsten Länder der Welt. 67 von 100 Menschen leben hier unter der Armutsgrenze und besitzen weniger als 1,90 Dollar pro Tag zum Leben. Das Leben in dem Land an der afrikanischen Westküste zum Atlantik, das an den Senegal und Guinea grenzt, ist unglaublich hart und für junge Menschen fast ohne Chance auf ein besseres Leben. Guinea-Bissau hat nur eingeschränkte Bildungsmöglichkeiten und -einrichtungen. 54,4 Prozent der Einwohner sind Analphabeten. „Wenn ich heute auf diese Zeit zurückblicke“, sagt er, „dann kann ich es selbst kaum glauben. Damals, als ich ankam, war ich fast noch ein Kind, heute bin ich erwachsen.“
Und nicht nur das. Malam hat einen Beruf und etwas geschafft, was für die Menschen in seiner alten Heimat wie ein Märchen klingt. Als er im August für drei Wochen wieder in Guinea-Bissau war, haben ihn alle gefragt: „Wie hast du das geschafft?“ Malam antwortete: „Ich habe Hilfe bekommen, aber ich habe auch den Willen gehabt, meine Chancen zu nutzen. Mit dem nötigen Willen kann man vieles schaffen.“
Für seine Zuhörer in Guinéa-Bissau blieb trotz dieser Erklärungen es eine „eine unvorstellbare Geschichte“, wie Malam berichtet. Natürlich weiß er, dass sich Menschen eines Landes, das erst nach einem langen Befreiungskrieg 1974 die Unabhängigkeit erlangte und immer wieder von kriegerischen Auseinandersetzungen erschüttert wurde, die Möglichkeiten in Deutschland wie eine Fiktion anhören. Manchmal muss er sich selbst kneifen, um zu wissen: Es ist kein Traum. „Deutschland, seine Bildungschancen und die Menschen hier haben mir eine Chance gegeben“, sagt er voller Dankbarkeit.
Unter diesen Menschen, die immer an ihn und sein Talent geglaubt haben, ist auch Alexander Ljaschko. Er hat Malam gefördert und ist mit ihm durch dick und dünn gegangen. „Er ist der Grund, warum ich noch hier sein darf. Er hat mir einen Ausbildungsplatz gegeben. Das werde ich nie vergessen.“ Alexander Ljaschko hat nicht nur das Talent des jungen Mannes für den Friseurberuf erkannt, er sah auch dessen menschlichen Eigenschaften. Seinen Fleiß sowie die Freude mit Menschen zu arbeiten und zu kommunizieren.
„Ich habe sofort gespürt, welches Talent in Malam schlummert“, erinnert sich Alexander Ljaschko, „ich prophezeie ich ihm eine große Laufbahn. Er ist unglaublich detailversessen, sehr perfektionistisch und will immer dazulernen. Zudem ist er ein sehr kommunikativer Mensch.“
Malam kann das nur bestätigen: „Ich könnte nie Maler sein und täglich stumm vor mich hinarbeiten.“ Zudem liebt er es, das direkte Feedback seiner Arbeit zu erleben: „Es gibt mir viel, zu sehen, dass Menschen nach dem Besuch in unserem Salon zufrieden und glücklich sind.“
Zufrieden ist nun auch Malam, der neue Friseurgeselle im Salon KL Alexander Ljaschko. Das heißt aber noch nicht, dass er keine Ziele mehr hätte. „Ich will in meinem Beruf besser werden. Und vielleicht eines Tages die Meisterprüfung ablegen. Das wäre dann wieder so ein Tag, den man nie vergisst.