Menschen sind keine Möbelstücke. Daher sollte man sie auch nie als Inventar eines Betriebes bezeichnen. Auch wenn die Bezeichnung für manche treue Mitarbeiter naheliegt. So wie bei Sven, der seit dem 1. September 1990 im Friseursalon an der Paulinenbrücke arbeitet. Damals, vor 33 Jahren, gehörte der Salon noch Rainer Kugler, ehe Alexander Ljaschko 2007 in dessen Fußstapfen trat. 33 Jahre bei einem Laden, 38 Jahre im Beruf. Das ist im modernen Arbeitsleben eher eine Ausnahme. Da muss einiges zusammenkommen, um das zu erreichen. Ein Punkt ist sicherlich der Wohlfühlfaktor. Sven, der noch einige Jahre bis zum Ruhestand am Friseurstuhl stehen wird, fühlt sich sichtlich wohl. Im Salon KL Alexander Ljaschko, mit seiner Stammkundschaft und vor allem in seinem Beruf.
Noch nie hat er seine Entscheidung für den Friseurberuf bereut. Dabei hatten sich seine Eltern etwas anderes für den Filius ausgedacht. Der Junge sollte Abi machen. Aber Sven hatte nach der Untersekunda Klasse die Nase von der Schule voll. „Ich hatte schon immer im Hinterkopf, Friseur zu werden", erzählt er. Alles rund um den Beruf hatte ihn damals fasziniert. Angefangen bei den Wohlgerüchen in einem Salon, über die kreativen Möglichkeiten des Berufs bis hin zur gesamten Ästhetik, die das (Kunst-)Handwerk umgibt. Gegen diese Argumente konnte auch Svens Vater, der bei Audi viele Friseure ans Band flüchten sah, nichts ausrichten. „Mir waren die Vorbehalte meines Vaters egal", sagt er und schmunzelt.
Bis heute hat sich Sven diese Spontanität, die Neugierde und die Freude in seinem Beruf bewahrt. Zudem hat er zwei Rezepte gegen das sogenannte Ausbrennen, das in Berufen mit intensiver Kommunikation und Arbeit mit Menschen keine Seltenheit ist. Nummer eins: „Immer dann, wenn ich merke, dass der Akku sich lehrt, mach ich Urlaub. Meistens dreimal im Jahr, auch wenn es nur kürzer ist." Nummer zwei: seine positive Einstellung zum Beruf, die ihn vor Abstumpfen bewahrt. „Man ist in diesem Beruf nie fertig", sagt er, „man stößt immer wieder an neue Herausforderungen, es wird nie langweilig. Ich war noch nie an dem Punkt, wo ich sagen musste: Das habe ich schon mal gemacht."
Natürlich kommen und gehen ähnliche Trends, weiß er. Aber es gebe immer wieder neue Schnitttechniken, die man auf Fortbildungen lernen dürfe. „Eigentlich könnte Sven solche Fortbildungen fast selbst veranstalten, denn er verkörpert in den Bereichen Schnitttechnik, Umformung und Farbe Top-Niveau", sagt Alexander Ljaschko und weiß, dass er damit einen Anschlag auf die Bescheidenheit seines langjährigen Mitarbeiters verübt: „Sven wird sicher protestieren. Er ist halt ein ganz ruhiger und uneitler Mensch, aber genau das macht ihn auch so beliebt bei den Kollegen."
Auch bei den Jüngeren im Salon. Auch ihnen sagt er gerne, dass er „den Beruf jederzeit wieder wählen" würde. Und allen, die möglicherweise vor der Entscheidung wie er einst stehen: Handwerk oder Studium? Generelle Ratschläge will er den Berufsanfängern jedoch nicht geben. Eher einen speziellen: „Das Beste, was man machen kann, ist für ein paar Tage in einen Salon, wie unseren reinzuschauen, um die Atmosphäre zu erleben", empfiehlt er, „und natürlich auch das, was einen Azubi sonst noch erwartet." Aber wer sich nicht zu schade sei, auch einmal einen Putzlumpen in die Hand zu nehmen, der könne das erleben, was Sven bis heute begeistert: „Menschen im Äußeren zu verändern und dadurch glücklich zu machen."
Besser hätte es der bescheidene Routinier im Salon KL Alexander Ljaschko nicht auf den Punkt bringen können. Mehr noch: Einem, wie ihm nehmen die jungen Leute diese Hommage an den Friseurberuf ab. Nicht nur wegen seiner Erfahrung, sondern wegen seiner Authentizität. Diese lebt er seit 33 Jahren im Salon vor. Als wertvolles „Urgestein", wie er selbst sagt – nicht als verstaubtes Inventar.